"Dieser Hund soll es sein!"

Die Entscheidung ist gefallen: nach langem (oder kurzen) Suchen ist man auf den passenden Vierbeiner gestoßen und möchte ihn adoptieren.

Viele Interessenten treffen per Bilder/Texte eine Vorauswahl, bevor sie im Tierheim direkt auf die Hunde treffen. Da kommt es natürlich häufig vor, dass sich Menschen Hals über Kopf in einen Hund verlieben, der gar nicht zu ihnen passt. Jedes mal, wenn man sich ein Tier anschafft, sollte man sich der Verantwortung bewusst sein die auf einen zu kommt. Bei einem Hund können das gut und gerne 15 Jahre sein, die man zusammen verbringt. Bei einem Angsthund muss man aber noch weiter denken: Kann ich diesem Hund das Leben bieten, das zu ihm passt? Kann er bei mir in Ruhe ankommen, Vertrauen aufbauen und sich einleben? Komme ich damit zurecht, dass das neue Familienmitglied die ersten Wochen/Monate nichts mit mir zu tun haben möchte?      

Wir versuchen Interessenten immer so gut es geht aufzuklären. Ist jemand an einem Angsthund interessiert kann ich z.B. auch sehr streng wirken und eventuell auch unfreundlich. Aber warum? Wieso freu' ich mich nicht einfach, dass nette Menschen einen Hund aufnehmen wollen?
Weil sich viele Menschen der Verantwortung und der Aufgaben nicht bewusst sind, die ein Angsthund mit sich bringt.

Angsthund entlaufen! - erst seit 2 Wochen in Deutschland - nicht versuchen ihn einzufangen! 

Diese Zeilen lese ich fast täglich in den sozialen Netzwerken. Jedes mal dreht es mir den Magen um. Es ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann, aber jeden den man für dieses Thema sensibilisiert ist ein kleiner Sieg. Hunde, egal in welcher Verfassung, nach Deutschland in Familien zu stecken ist KEIN Tierschutz. Angsthunde sind keine "gewöhnlichen Hunde", sondern reagieren instinktiv und haben meist nur ein's im Sinn: Die Flucht. Weg. Einfach weg.

Worauf muss ich aber achten, wenn ich trotzdem einen Angsthund aufnehmen will?

Fühlt man sich der Verantwortung trotz allem gewachsen, sollte einem etwas bewusst werden: Hundeerfahrung allein wird einem nicht helfen. Jede Sekunde der Unachtsamkeit kann den Tod des Vierbeiners bedeuten, wenn er durch die Tür schlüpft und von einem Auto erfasst wird (als Beispiel). Viele erfrieren, werden erschossen, ertrinken, werden vergiftet, angefahren, verhungern usw. Ist DAS der Sinn? Einen Hund aus der vermeindlichen Hölle zu befreien um ihn dann hier bei uns auf den Straßen sterben zu lassen? Ganz klar: NEIN!

Was aber denn jetzt tun, wenn ich so einem Hund helfen will? 
Ich spreche nur aus meiner eigenen Erfahrung und es sind lediglich die "Basics". Jeder, der ernsthaftes Interesse an einem Angsthund hat, sollte sich über das Thema belesen und erkundigen, mit den Vereinen sprechen etc.

1. Angsthunde brauchen Halt

Klingt recht simpel. Ist es auch. Ein Angsthund ist selbst so verunsichert, dass er keinen Besitzer braucht der völlig ahnungslos neben ihm steht und Löcher in die Luft starrt. Ich habe schon oft erlebt, dass schüchterne Hunde völlig panisch reagieren, wenn unsichere Menschen mit ihnen spazieren gehen. Angsthunde brauchen eine Person, der sie folgen können. Da natürlich nicht sofort diese Beziehung besteht ist bei den meisten Angsthunden ein souveräner Ersthund von Vorteil, bei vielen Vereinen auch Pflicht.

Wenn man ein ungeduldiger Mensch ist muss man sich in Selbstbeherrschung üben, oder lässt es lieber gleich sein. Ein Angsthund braucht Wochen, Monate oder gar Jahre um eine stabile Beziehung zu seinen Menschen herzustellen. Lautes Geschrei oder gar körperlichen Korrekturen haben bei einem Angsthund nichts zu suchen. Weiß man sich nicht anders zu helfen: Finger weg! (am besten auch von allen anderen Hunden...)
Um einen Angsthund führen zu können muss man also Ruhe ausstrahlen und bestimmt auftreten. Das heißt nicht, dass man den Hund an der Leine hinter sich her schleift, ihn bedrängt/anfasst o.ä.! Sondern dass man auf den Hund achtet, Situationen richtig einschätzen kann und Herr der Lage ist.

2. wenn möglich kennen lernen!

Kommt der Hund nicht direkt aus einer Tötungsstation ins Wohnzimmer (davon rate ich dringend ab! Vor allem in Angsthund-unerfahrenen Händen führt das ausschließlich zu Katastrophen) muss man das Tier erst einmal kennen lernen. Viele Tierheime setzen dies voraus - verständlich. Man kann bei gemeinsamen Spaziergängen den anderen schon mal "beschnuppern", eventuell das erste Eis brechen. Die ersten Treffen finden (zumindest bei uns) mit der Bezugsperson des Hundes statt bzw. mit einem der Betreuer. Einen Angsthund wild fremden Menschen mitzugeben ist in meinen Augen mehr als fahrlässig und birgt für alle Gefahren.


3. Der Hund zieht ein - mit der Aufmerksamkeit überall

Zieht ein Angsthund ein muss man sich auf alles vorbereiten. Die meisten Tiere haben noch nie ein Haus von innen gesehen, sind so schon völlig verängstigt und können durchaus in Panik geraten. Ein paar der wichtigsten Punkte auf die man achten MUSS zusammengefasst:

- Transport nach Hause GESICHERT! Am besten in einer Box, die man erst zu Hause öffnet. Darin ist der Hund fürs erste sicher, kann sich und andere weniger verletzen als wenn er wild durchs Auto tobt, z.B. im Kofferraum. Angeschnallt ist eine tolle Methode, aber nicht bei einem Angsthund: wenige Sekunden und der Gurt ist durch - Hund weg. Daher: Hund in die Box und alle sind glücklich (bis auf den Hund natürlich. Aber der denkt in dem Moment eh die letzte Reise beginnt ;) )

- im Haus den Hund einfach in Ruhe lassen. Die Umgebung ist fremd und es braucht Zeit bis sich das Tier eingefunden hat. Lassen sie den Hund einfach machen. Jetzt auf ihn zu zu gehen würde die Lage nur verschlimmern. Ich empfehle am Anfang eine schlaufenlose Leine am Hund zu befestigen, damit man nicht direkt an ihn ran muss, sondern eine "Verbindung" hat um ihn aus der Ecke zu bekommen (z.B. zum Gassi gehen - Hier aber der Vermerk zum letzten Post - Extrasicherung!!!)

- Fenster, Türen und co. geschlossen halten! Ein Spalt reicht - Tür auf. Hund fort.

- im Garten den Hund nur gesichert an der (Schlepp-)Leine und unter Aufsicht laufen lassen! Es kann durchaus sein, dass die ersten Tage und Wochen keine Chance besteht den Hund anzuleinen. Augen zu und durch: lassen Sie den Hund. Versuchen Sie ihn nicht durch das ganze Haus zu jagen. Es kann also auch sein, dass die Tiere die ersten Tage ihr Geschäft im Haus verrichten MÜSSEN, da sie nicht nach draußen KÖNNEN (nicht ausreichende Sicherheit durch mangelnde Sicherung). Dies ist jedoch meist nur der Fall, wenn die Hunde direkt aus dem Ausland in die Familie "fallen". Hat man sich vorher etwas kennen gelernt, hat es bisher immer geklappt (das Anleinen, Sichern und Gassi gehen)

- in den ersten Tagen KEIN Besuch. Der Hund hat genug damit zu tun sich an Sie zu gewöhnen, da müssen nicht noch Oma, Opa, Tante, Onkel u.s.w. antanzen

- die ersten Tage immer die selben Runden spazieren gehen zur selben Zeit. Futter ebenfalls zu festen Zeiten. Rituale geben ängstlichen Hunden Sicherheit.

- den Hund nicht bedrängen, ihm in sein Versteck folgen oder anfassen. Wenn er Kontakt will, wird er kommen (natürlich sollen Sie ihn nicht für immer und ewig ignorieren! Geben Sie dem Hund aber so viel Freiraum wie möglich, damit er Sie in Ruhe beobachten und einschätzen kann!)

Dies als kleiner Überblick. Ergänzungen gerne in die Kommentare, da ich im Schreiben natürlich auch etwas Wichtiges vergessen haben könnte :)


Kommentare

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Dabei handelt es sich aber um nichts schädliches. Ich kann das leider nicht beeinflussen, wurde nur nebenbei beim Erstellen darauf hingewiesen. Daher die Info an euch.

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